Kunsthandwerk – Der kalligraphische Goldgraveur in Konya


Kenan Köseoğlu ist kalligraphischer Goldgraveur in der Altstadt von Konya und er sagt, er sei der letzte seiner Zunft in der Türkei.

Ich treffe Kenan das erste Mal Ende September 2005 in seinem winzigen Atelier im Altın Çarsı (Gold Basar) nahe der Mevlana Caddesi im alten Zentrum von Konya. Kenan sitzt hinter einer Glasvitrine mit Arbeitsfläche und arbeitet hoch konzentriert an einem kleinen Stück Gold, aus dem er filigrane kalligraphische Motive aussägt. Gerade entsteht eine Brosche, welche die Form einer Sikke, dem Hut der Mevlevi Derwische hat und den Namen Mevlana Cellaleddin Rumis in arabischer Schrift beinhaltet.

Zuerst wird eine Fotokopie des nur wenige Zentimeter grossen Motivs auf das 14karätige Stück Gold aufgeklebt. Mit einem Feinbohrer werden nun die ersten Löcher eingebohrt. Sein Vater, der bereits diesen Beruf ausgeübt hatte, benutzte hierzu einen Handbohrer, doch Kenan Köseoğlu verwendet heute einen elektrischen Bohrer, der neben seinem Arbeitstisch hängt.

Anschliessend sägt Kenan das filigrane Motiv mit einer feinen Säge per Hand aus, was viele Stunden, je nach Motiv auch manchmal einige Tage dauern kann. Zwischendurch benutzt er feines Schmiergelpapier, den angefallenen Goldstaub wischt er mit einer Hasenpfote weg. Mit einem angeschliffenen Stichel bringt er nun kleine Kanten, zumeist am Anfang und Ende der Schrift an. Der Anstecker für die Brosche wird auf der Rückseite aufgelötet. Nachdem Kenan die Brosche mit einem Tuch blank geputzt hat, ist wieder mal ein einzigartiges Stück filigraner Handarbeit entstanden.

Zu Zeiten des Osmanischen Reiches waren die meisterhaften Gold- und Silberschmiedearbeiten sowie die Gravuren der osmanischen Kunsthandwerker weit über die Grenzen des Reiches hinaus bekannt und begehrt. Kolliers, Armbänder, Gürtelschnallen, Ringe und Ohrringe, filigraner Kopfschmuck für die Frauen, aber auch mit feinster Ornamentik verzierte Gebrauchsgegenstände wie Leuchten, Gefäße und Bücher bis zu Helmen, Waffen und Pferdesätteln wurden damals angefertigt.

Im Dezember 2005 sitzen wir zusammen in Kenans Atelier und er erzählt ein wenig über sich und seine Arbeit. Der heute 40jährige Kenan Köseoğlu begann bereits im jungen Alter von 10 Jahren bei seinem Vater das Kunsthandwerk des Goldgraveurs (Türkisch: Hakkak) zu erlernen. Nach dem Schulunterricht und an den Wochenenden half er dem Vater in dessen Atelier in Konya. Schon der Grossvater hatte den Beruf des Hakkak ausgeübt. Nach fünf Jahren Grundschule und weiteren anderthalb Jahren in der Koranschule, begann Kenan als Graveur zu arbeiten und weiter zu lernen.

Zu Zeiten des Grossvaters und Vaters gab es noch viele Graveure dieser Art in Konya und in der gesamten Türkei, heute übt nur noch Kenan als Einzigster diesen Beruf im ganzen Land aus. 2005 bekam er eine Ehrenurkunde des Türkischen Kulturministeriums auf der Handarbeitsmesse in Izmir und belegte den 2. Platz aller Teilnehmer. “Die Jury konnte zunächst nicht glauben, dass diese feinen Gravuren wirklich in Handarbeit hergestellt worden sind, man dachte erst es wäre eine Lasergravur”, erzählt Kenan.

Neben 14karätigem Gold, das nicht zu weich ist und sich daher gut zur Bearbeitung eignet, verwendet Kenan auch andere Materialien wie Silber, Perlmut und Elfenbein. Für große Motive, die in einem Rahmen an die Wand gehängt werden können, benutzt er auch Messing und Kupfer, das vergoldet wird. Die Motive haben sich seit Grossvaters Zeiten nicht verändert. In der Regel sind es Koransuren in kalligraphischer Form, die Tuğra, die Signatur der osmanischen Sultane, die Sikke-Form mit dem Namen Mevlanas oder Goldanhänger und Broschen in der Form eines Semazen, eines wirbelnden Derwischs. Es entstehen Broschen, Anhänger, Ringe, Ohrringe und Wandbilder, bei Bedarf führt er auch Auftragsarbeiten durch, wenn die Kunden ein eigenes Motiv wünschen.

“Wer diese Arbeit macht muß Koran lesen und schreiben können”, betont Kenan: “Es dürfen mir keine Fehler passieren. Man sollte religiöses Wissen besitzen und seinen Glauben in die Arbeit mit einbringen”, führt er fort: “Dazu braucht es viel Geduld und Ausdauer, man muss die Arbeit einfach mögen.” Auch nach vielen Jahren, die Kenan diesen Beruf ausübt, sieht er die Phase des Lernens nicht als beendet. Manchmal besucht ihn sein Vater in seinem Atelier, so erzählt er, und macht ihn darauf aufmerksam, dass er genau arbeiten muss. “Das Lernen hört niemals auf”, sagt Kenan. Als ich ihn nach der Zukunft seines Berufs frage, zeigt sich Kenan traurig: “Ich möchte Lehrlinge ausbilden, aber die meisten geben nach kurzer Zeit wieder auf. “Bereits seit etwa 17 Jahren hat er einen Gesellen, der mit ihm zusammenarbeitet, doch er sei immer noch nicht gut genug, um alle Arbeiten, vor allem filigrane Gravuren zu machen, erzählt Kenan Köseoğlu und zum Abschluß fügt er hinzu: “Letzte Woche war ich sehr krank, wenn ich gestorben wäre, wäre dieser Beruf ausgestorben.”