Interkontinental pendelt man mit der Fähre von Eminönü und Sirkeci auf der europäischen Seite Istanbuls und den Stadtteilen auf der asiatischen Seite der Stadt.
In Sichtweite der großen Lastkräne des Containerterminals und der vorbeifahrenden Autofähren und Seeschiffe, erreicht die Personenfähre in kurzer Zeit das asiatische Ufer und steuert die Anleger in Kadıköy und am Bahnhof Haydarpaşa an. Andere Fähren sind in Richtung Marmarameer oder zum Schwarzen Meer unterwegs, vorbei an prächtigen Villen und Palastanlagen unter den Brücken, die den Bosporus überspannen und Europa mit Asien verbinden.
Unterwegs mit der Fähre
Auf den halboffenen Schiffen kommen die Menschen ein wenig zur Ruhe, nachdem sie sich im hektischen Treiben an einem der Piers in Eminönü eine kleine Münze gekauft und sich durch das dichte Gedränge aufs Schiff gezwungen haben, entspannt das leichte Hin- und Herschaukeln der Fähre, während Tee, frisch gepresster Orangensaft oder Ayran angeboten werden. Sich endlich ganz in die Zeitung vertiefen zu können oder einen verträumten Blick über das Goldene Horn schweifen lassen, tut gut nach dem lauten Trubel der Straßen.
Wenn das Tuten des Schiffes erklingt und die Fahrt zu den verschiedenen Fährstationen entlang des Bosporus beginnt, weht der Wind durch das zugige Metallgerippe des Schiffes. Ein letzter Blick auf Eminönü mit der Yeni-Moschee und der Galatabrücke sowie auf den hochgelegen Sultanspalast, dann verschwimmt die beeindruckende Silhouette der Altstadt immer mehr. Der mächtige Bosporus schlängelt und windet sich in Richtung Norden.
Die Topographie Istanbuls
Die Topographie Istanbuls soll nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Ende der letzten Eiszeit entstanden sein. Das Schmelzwasser durchbrach das Bett des heutigen Bosporus. Nach den Kulturen der Steinzeit entwickelten sich die Dörfer der Kupferzeit, später die Städte der Bronzezeit. Der Bosporus war eine wichtige Handelsstraße, auf der Felle, Wolle, Fleisch und Holz aus der Schwarzmeerregion in den Mittelmeerraum gelangten, aber auch Früchte, Oliven und Wein nach Norden verfrachtet wurden.
Die Region um den Bosporus zog im Laufe der Zeit mehrere Völker an, so entstand das Reich des Mykene von etwa 1400 bis 1200 vor christlicher Zeitrechnung, später herrschte Phrygien. Im 7. Jahrhundert vor christlicher Zeitrechnung gründeten die Griechen auf der asiatischen Seite die Siedlung Chalcedon, heute Kadıköy.
Der Bosporus ist kein einfaches Fahrwasser
Auf der breiten Wasserstraße Bosporus begegnen der gemächlich schippernden Personenfähre die großen Containerschiffe und Tanker, die vom Schwarzen Meer in Richtung Marmarameer und Mittelmeer oder in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sind. Der Bosporus ist kein einfaches Fahrwasser, so hatte es mir ein türkischer Seemann erzählt. Nur erfahrene Lotsen können diese riesigen Pötte sicher durch den Bosporus bringen.
Doch ebenso wie ich das Verlangen des Seemanns gut verstehen konnte, der sich nach einiger Zeit an Land wieder auf die Weltmeere zurücksehnte, auf denen er viele Jahre unterwegs gewesen war und so manchen Tayfun und andere Risiken der Seefahrt erlebt hatte, so packt mich auch mehr und mehr eine Faszination, die man empfindet, wenn man auf dem Wasser unterwegs ist.
Prunkvolle Villen und Paläste
An der Uferseite des Bosporus erzählen prunkvolle Villen von dem architektonischen Geschmack des 19. Jahrhundert, als die späteren Sultane, hohe Staatsbeamte wie auch ausländische Diplomaten sich hier ihre prachtvollen Villen bauten. Auch heute befinden sich an den Ufern zahlreiche schmucke Häuser, die den Reichen der türkischen Oberschicht gehören. Am Ufer auf der europäischen Seite steht der Dolmabahçe Palast und die gleichnamige Moschee. Armenische Architekten errichteten Mitte des 19. Jahrhunderts für Sultan Abdülmecit I. den pompösen Bau.
Die Büyük Mecidiye Moschee, auch bekannt als “Ortaköy Moschee” wurde zwischen 1854 und 1856 erbaut und liegt am Europäischen Ufer des Bosporus. In dem Stadtgebiet nordöstlich von Taksim und zwischen Beşiktaş und dem dörflich anmutenden Stadtteil Ortaköy, der bis vor einigen Jahren vor allem vom Fischfang geprägt war, befinden sich eine Reihe interessanter Museen, wie das Militärmuseum, welches Ausstellungsstücke von der Eroberung Konstantinopels bis zum Ersten Weltkrieg beherbergt, das Schifffahrtsmuseum in Beşiktaş sowie weitere Palastanlagen wie der Yildiz-Palast mit weiträumigen Parkanlagen, den Sultan Abdülhamid II. um die Jahrhundertwende zeitweise zu seiner Hauptresidenz gemacht hatte.
Brücken zwischen Europa und Asien
Auf der Fahrt über den Bosporus sieht man an beiden Ufern weitere Paläste, ehe man unter der mächtigen Brücke über den Bosporus hindurch fährt. Die 1973 eingeweihte Bosporusbrücke ist mit 1560 Metern eine der längsten Hängebrücken der Welt. An anderer Stelle verbindet die Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke über den Bosporus die beiden Kontinente. Wenn man im Auto über eine der Brücken fährt, erreicht man innerhalb weniger Minuten den anderen Kontinent. In diesen Momenten zwischen Europa nach Asien stellt sich ein ganz besonderes Gefühl ein.
Von der Festung, die von Mehmet II. im Jahr 1452 für den Sturm auf Konstantinopel auf der europäischen Seite angelegt worden war, kontrollierte der Eroberer die engste Stelle des Bosporus, was ihm half den Nachschub der Byzantiner abzuschneiden. Die Janitscharen versenkten hier ein Schiff und blockierten damit den Bosporus. Nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen verlor die Festung an Bedeutung und musste zeitweise als Kerker herhalten.
Richtung Schwarzes Meer
Auf dem Oberdeck der Personenfähre bereitet sich ein fliegender Händler auf seinen spontanen Auftritt vor. Er hat mehrere lange Küchenmesser ausgepackt und sorgfältig nebeneinander auf ein dunkles Tuch gelegt. Jetzt plötzlich springt er auf, gestikuliert wild mit den langen Klingen über die Köpfe der Passagiere hinweg und preist die Vorzüge der überdimensionalen Küchenmesser mit lauter, monotoner Stimme an. Völlig unbeeindruckt zeigen sich die dicht gedrängten Passagiere auf den Holzbänken, einige schauen gar demonstrativ weg.
Bis die Fähre jedoch später ihr Ziel erreicht hat, soll er doch noch einige Kunden überzeugen können. Um so weiter man über den Bosporus in Richtung des Schwarzen Meeres schippert, verliert sich langsam das Flair der Großstadt und die Siedlungen an den Ufern bekommen mehr und mehr dörflichen Charakter. Wenig hektisch geht es dann auch an den verschiedenen kleinen Anlegern zu, an denen Fahrgäste aus- und zusteigen. Die Fähre erreicht schließlich die letzte, nördlichste Station Rumeli Kavağı auf der europäischen Seite, um von dort zur asiatischen Station Anadolu Kavağı überzusetzen. Nicht weit von hier beginnt das Schwarze Meer.
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