Von dem 1908 fertiggestellten Bahnhof Haydarpaşa am Bosporus auf der asiatischen Seite Istanbuls fuhren rund 100 Jahre lang Züge nach Anatolien. Nun geht die Ära dieses prachtvollen Gebäudes, das auch ein Symbol für die Türkisch-Deutschen Beziehungen ist, zu Ende.
Im November 2010 kam es bei Restaurationsarbeiten zu einem verheerenden Brand, bei dem das Dach des Bahnhof Haydarpaşa sowie die 4. Etage zerstört wurden. Seit Frühjahr 2012 gibt es keine Fernverbindungen mehr ab Haydarpaşa. Ab 2013 soll das Gebäude dann ganz seine Funktion als Bahnhof verlieren, wenn das Marmaray-Projekt (Tunnel unter dem Bosporus) fertiggestellt ist. Geplant ist es, in einem Teil des alten Bahnhofs ein Museum einzurichten. Im anderen Teil soll ein Hotel und Einkaufszentrum entstehen.
Der Bahnhof Haydarpaşa in Istanbul und die Bagdad-Bahn
An einem Morgen im Februar 2006 komme ich am Bahnhof Haydarpaşa mit dem Zug aus Zentralanatolien an. Nachdem der Meram-Express sich gegen 18 Uhr vom Bahnhof in Konya in Bewegung gesetzt hat und ich es mir in meinem Schlafwagenabteil ein wenig gemütlich gemacht habe, führt die rund 14-stündige Fahrt durch viele kleine Ortschaften mit Bahnhofsgebäuden aus wilhelminischer Zeit und teils verschneite Landschaften in den Hochebenen bis zur Endstation Istanbul-Haydarpaşa.
Vor dem Hauptportal wartet schon die Fähre nach Eminönü, die mich auf die europäische Seite bringt. Bei der Überfahrt gönnen sich viele Pendler ein Glas Tee und vertiefen sich in ihre Zeitungen, während ich meinen Blick über die leicht verschneiten Kuppeln der Istanbuler Moscheen schweifen lasse und die kleinen Fischerboote in der Mitte des Bosporus beobachte.
Vor hundert Jahren wollte man mit dem Anlegen der Bahnstrecke eine schnelle Verkehrsverbindung durch Anatolien von Istanbul über Konya, Adana, Aleppo bis weiter nach Bagdad bauen. Kaiser Wilhelm II. hatte deutsche Unternehmen wie Philip Holzmann, Krupp und als Finanzier die Deutsche Bank für das Projekt verpflichtet. Als Verbündeter des Sultan Abdülhamid II. wurde der Bau der Bahnstrecke vorangetrieben und kostete vor allem in den unwegsamen anatolischen Gebirgsregionen zahlreiche Menschenleben.
Bis 1896 entstanden Bahnstrecken nach Konya und Ankara. Durch die Wirren des Ersten Weltkriegs und die Auflösung des Osmanischen Reiches blieb die Strecke nach Bagdad zunächst unvollendet und wurde erst in den 1930er Jahren auf irakischem Gebiet fertiggestellt. 1940 fuhr dann der “Taurus-Express” zum ersten Mal die Verbindung Istanbul-Bagdad.
Zwischen 1900 und 1908 entstand unter deutscher Beteiligung eine weitere Bahnlinie im Osmanischen Reich, die so genannte Hedschas-Bahn von Damaskus nach Medina, die vor allem muslimische Pilger zu den heiligen Stätten des Islam brachte, aber auch die schnelle Verlagerung osmanischer Truppen in die arabischen Provinzen ermöglichte.
Die Hedschas-Bahn erlangte zudem tragische Berühmtheit, als sich die Stämme in den arabischen Provinzen durch die Briten aufgrund von falschen Versprechen ermuntert auflehnten und unter Anleitung des Geheimagenten Thomas Edward Lawrence, bekannt als “Lawrence of Arabia”, Anschläge auf die Bahn verübten.
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