Mittwochs ist Markt rund um die Fatih-Moschee im gleichnamigen Stadtteil, wo die meisten frommen Muslime Istanbuls leben. Es werden vor allem nützliche Dinge für den Haushalt sowie Kleidung und Bettwäsche feilgeboten. Der Stadtteil ist geprägt von bärtigen Männern in weiten Hosen und Frauen, die sich ganz mit dem schwarzen Tscharschaf verhüllen. Im Viertel hat sich an dieser Atmosphäre seit meinem ersten Besuch Mitte der 1980er Jahren nicht viel verändert. Seit vielen Jahren wird das Viertel überwiegend von strenggläubigen Muslimen bevölkert.
Gleich neben dem Aquädukt, das Kaiser Valens im 4. Jahrhundert anlegen ließ und worüber das Wasser aus dem Belgrader Wald in die Stadt geleitet wurde, beginnt der Stadtteil mit einer riesigen Statue zu Ehren des Sultan Mehmet II. Fatih, des Eroberers Konstantinopels im Jahre 1453. Auf dem Gelände der früheren Apostelkirche wurde zu seiner Amtszeit die erste Fatih-Moschee gebaut.
Einige Quellen berichten, die Kirche, die Grabstätte mehrere byzantinischer Kaiser gewesen war, soll bereits verfallen gewesen sein, als der Bau des Komplexes aus mehreren Schulen und der Moschee im Jahr 1463 begann. 1766 konnte die Moschee jedoch einem Erdbeben nicht standhalten und stürzte ein. Die heutige Moschee ist überwiegend das Werk des Hofbaumeisters Mehmet Tahir Aga. Um das muslimische Gotteshaus herum waren zahlreiche theologische Hochschulen (medrese) und ein Krankenhaus gebaut, die noch erhalten sind.
Vor der Moschee sammeln alte Männer Geld für die Armenspeisung, Frauen in ihren schwarzen Gewändern überqueren nach dem Marktbesuch den Platz, ein gelehrt aussehender alter Mann mit langem grauen Bart und einem großem schwarzen Turban auf dem Kopf verschwindet hinter der Tür des prächtigen Portals einer Koranschule, vor dem ein schlafender Hund liegt.
Kinder verkaufen Taschentücher im Hof vor dem Mausoleum von Fatih Sultan Mehmet (Bild oben). Ich betrete die prächtige Grabstätte, im Innern steht ein Sarkophag, dessen Größe der Bedeutung des Sultans Ausdruck verleiht. Darüber hängt ein Kronleuchter. Das osmanische Wappen und zahlreiche Koransprüche sowie Ornamentik verzieren die Wände. Pilger sind an diesen Ort gekommen, um Bittgebete zu sprechen. In dem Mausoleum herrscht eine majestätische Stimmung.
Langsam belebt sich auch die Szenerie auf dem Vorplatz der Fatih-Moschee. Zahlreiche Männer und auch Frauen strömen zielstrebig die Treppe hinauf zum Seiteneingang, ziehen ihre Schuhe aus und betreten das Innere des Gotteshauses, um am gleich folgenden Nachmittagsgebet teilzunehmen.
Während die Frauen hinter abgetrennten Holzwänden verschwinden, lassen sich die Männer in den vorderen Reihen nieder. Einige sitzen in den Nischen an den Außenseiten der Moschee und warten auf den Gebetsruf. Gemeinsam verrichtet dann die Gemeinschaft das Gebet pünktlich zur Nachmittagszeit. Anders als in vielen anderen Moscheen der Stadt treffen in der Fatih-Moschee immer zahlreiche Menschen auch zu den alltäglichen Pflichtgebeten zusammen und nicht nur am Freitag. In Fatih nimmt man es mit der Religion eben ein wenig genauer.
Für viele Türken ist Fatih Sultan Mehmet (Mehmet II.), nachdem in der ganzen Stadt auch Straßen und Brücken benannt sind, als Eroberer Konstantinopels und Gründer des osmanischen Istanbul eine der wichtigsten Figuren der Geschichte. Aus abendländischer Sicht gefürchtet, berichteten die türkischen Quellen seit jeher von einem gerechten Feldherrn und Herrscher, der den anderen Religionen wie Christentum und Judentum tolerant gegenüberstand.
Der kluge Armeeführer und Staatsmann, der sieben Sprachen gesprochen haben soll und ein großer Förderer von Wissenschaft und Literatur war, eroberte am 29. Mai 1453 nach langen Belagerungen die Stadt Konstantinopel. Jedes Jahr wird in Istanbul an diesem Tag ein Festumzug veranstaltet, bei dem verkleidete Darsteller in historischen Kostümen zu Klängen der Mehter-Kapelle, des Musikkorps der Janitscharen durch die Stadt marschieren.
Nicht selten wurde die Eroberung Konstantinopels als die zweite Gründung des Osmanischen Reiches bezeichnet. Ob die Stadt bereits nach ihrer Eroberung den neuen Namen “Istanbul” erhielt ist unklar, sicher ist, dass der Name bereits zur osmanischen Zeit benutzt wurde, offiziell wurde er jedoch erst nach dem Ende der Osmanendynastie.
Manche Quellen behaupten, der Name leite sich aus dem griechischen “is tin polin” ab, was “in die Stadt” bedeutet. Dies soll auch der Schlachtruf beim Vorrücken der osmanischen Truppen gegen Konstantinopel gewesen sein. Andere vermuten, dass der Name “Istanbul” eine Art türkische Verfremdung des Namens “Constantinoupolis” ist, wie das auch bei anderen ehemaligen byzantinischen Städten üblich war und die Stadt zumindest im Volksmund so bezeichnet wurde. Sicher ist, dass die Stadt im 19. Jahrhundert “Stambul” genannt wurde. Orthodoxe Griechen und viele andere Europäer hielten auch nach der Eroberung durch die Osmanen teilweise bis zum heutigen Tag an dem Namen “Konstantinopel” fest, weshalb er sich in der europäischen Geschichtsschreibung lange gehalten hat.
Mehmet II. machte sich nach der Einnahme der Stadt daran aus Konstantinopel eine osmanisch-muslimische Metropole zu machen. Die Umfunktionierung der Hagia Sofia in eine Moschee, der Bau von Medresen, Bädern und der Palastanlagen veränderten das Bild der Stadt maßgeblich. Rund dreihundert Moscheen, mehr als fünfzig Hochschulen und über fünfzig Bäder sollen während seiner Regentschaft entstanden sein. Zunächst schwankte man noch zwischen Edirne und der Stadt am Bosporus als Residenz des Sultans, doch schon bald wurde klar, dass Konstantinopel die neue Hauptstadt des Osmanischen Reiches sein würde.
Menschen kamen aus dem ganzen Reich, um sich in der Stadt niederzulassen. Muslime, Christen und Juden lebten in einer kosmopolitischen Gesellschaft zusammen. Während sich im spätbyzantinischen Konstantinopel der Stadtteil Galata als wirtschaftlicher Mittelpunkt etabliert hatte, machte Mehmet II. den Stadtteil am gegenüberliegenden Ufer des Goldenen Horns zum Marktzentrum, indem er begann, den “Gedeckten Basar” zu bauen.
In den dreißig Jahren seiner Amtszeit blühte nicht nur Konstantinopel auf, Sultan Mehmet II. erweiterte auch das osmanische Staatsgebiet enorm, in dem er Griechenland, Albanien, Serbien, die Walachei, aber auch die anatolischen Gebiete um Karaman und Trabzon, später auch die Krim eroberte.
Um Streitigkeiten über die Thronfolge und teils damit verbundene Bürgerkriege zu vermeiden, gründete Mehmet II. die grausame Tradition, nach der ein Sultan seine Brüder umbringen sollte und die so noch bis Anfang des 17. Jahrhunderts praktiziert wurde. Da es im Osmanischen Reich kein Recht des Erstgeborenen in der Nachfolge gab und zudem die Söhne oft von verschiedenen Müttern stammten, entstanden unweigerlich Rivalitäten unter den Prinzen sowie unter den Frauen des Sultans. Später pflegte man dagegen etwas mildtätiger die Prinzen in den so genannten “Goldenen Käfig”, ein abgeschlossener und bewachter Teil innerhalb des Topkapı-Palastes, einzusperren, zumindest für solange, wie der Sultan regierte.