Der 19. Mai ist ein nationaler Feiertag in der Türkei und erinnert an den Beginn des Türkischen Unabhängigkeitskrieges 1919 in Samsun durch Mustafa Kemal Paşa, später “Atatürk” genannt. Der Tag wird im ganzen Land mit Zeremonien und Gedenkveranstaltungen sowie auch Sportereignissen der Jugend begangen. Die politischen Parteien stellen Kränze an den Atatürk-Denkmälern auf.
Obwohl die Osmanen als Verbündeter der so genannten Mittelmächte Deutsches Reich und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg bei den blutigen Schlachten im Jahr 1915 auf der Halbinsel Gallipoli gewannen, konnten sie dem übermächtigen Druck der so genannten Ententemächte England, Frankreich, Rußland, Serbien und später weiterer Verbündeter wie Italien an den Fronten in allen Himmelsrichtungen des Reiches nicht standhalten. So besetzten schließlich im Jahr 1919 britische und französische Truppen Istanbul.
Das Gebiet des heutigen Irak und Syrien geriet immer mehr unter die Kontrolle der Briten und Franzosen, in Antalya an der Türkischen Mittelmeerküste landeten italienische Truppen, die ins Landesinnere bis nach Konya vorstießen. In der Ägäis nahmen griechische Truppen Smyrna ein, das heutige Izmir, mit der Absicht ein Groß-Griechenland zu schaffen.
Nach dem über Generationen dauernden Niedergang des Reiches und dem damit verbundenen Verlust an Ansehen und wirtschaftlicher Entwicklung, muss die Besetzung der Osmanischen Hauptstadt und die Aufteilung des zerfallenen Reiches durch die Siegermächte des Ersten Weltkriegs wie ein Schock gewirkt haben.
Am 19. Mai 1919 startete Mustafa Kemal Paşa, später “Atatürk” genannt, von der Stadt Samsun am Schwarzen Meer aus zusammen mit seinen Getreuen den Türkischen Unabhängigkeitskampf. Am 23. April 1920 erklärten die Vertreter der “Großen Nationalversammlung der Türkei” in Ankara unter dem Vorsitz von Mustafa Kemal Paşa sich zur höchsten politischen Instanz und sprachen damit dem Sultan das Recht zur Vertretung des Türkischen Volkes ab.
Als dann auch noch der letzte osmanische Sultan Mehmet IV. den von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs diktierten Friedensvertrag von Sevres am 10. August 1920 unterzeichnete, nach dem nicht nur die Hedschas, Armenien und Kurdistan unabhängig werden sollten, Syrien und der Libanon an Frankreich und das Gebiet des heutigen Irak und Palästina an Großbritannien übergehen sollte, sondern auch Thrakien und Westanatolien um Izmir an der Ägäisküste Griechenland zugesprochen wurde sowie die Region um Istanbul und das Marmarameer entmilitarisiert und internationalisiert werden sollte, verstärkte sich der Widerstand.
Der Vertrag von Sevres wurde nicht anerkannt und zum Kampf gegen die Istanbuler Marionetten-Regierung aufgerufen. Im Verlauf des Befreiungskrieges wurden die letzten Anhänger des Sultans geschlagen und die griechischen Besatzer in Izmir und Westanatolien im Jahr 1922 besiegt und vertrieben.
Daraufhin musste der Vertrag zugunsten der Türken revidiert werden, am 24. Juli 1923 wurden der Türkei im Vertrag von Lausanne neben Anatolien große Teile Armeniens und weitere Gebiete wie Ost-Thrakien, der heutige europäische Teil der Türkei zugesprochen. Zwischen Griechenland und der Türkei wurde ein umfangreicher Bevölkerungsaustausch vereinbart. Die Meerengen und Istanbul gerieten wieder unter Türkische Oberhoheit.
Bild oben: Kranzniederlegungen am 19. Mai 2006 in Gaziantep, Südostanatolien. Bild unten: Kranzniederlegungen am 19. Mai 2004 in Kadıköy, asiatische Seite von Istanbul.