An der Kultur der Hethiter, die ab 1650 v.Chr. die Kontrolle über Anatolien erlangten und als eine der Supermächte ihres Zeitalters galten, bleibt bis heute vieles rätselhaft. Nahe dem Beyşehir-See in Zentralanatolien steht eine der bedeutensten Kultstätten der Hethiter.
Eflatunpınar – Kultstätte der Hethiter
Es ist der letzte Tag des Monats Mai 2005, als wir von Konya in Richtung Süden aufbrechen. Unser Ziel ist das Hethiter-Monument an der Eflatun-Quelle (Eflatunpınar) im Kreis Beyşehir. Mein Freund Abdullah aus Konya, mit dem ich unterwegs bin, steuert den Wagen zunächst die Hauptstraße entlang, Wiesen mit bunten Blumen, Felder und dahinter die Berge säumen den Weg. Wir passieren eine alte Karawanserei aus der Seldschukenzeit, nahe einem alten Haus betreibt ein Imker seine Arbeit, in der Ortschaft Yunuslar tragen Männer gerade einen Verstorbenen zum Friedhof. Aus spärlich besiedelten Dörfern heben sich schmale Minarette in den Himmel. Das Wetter wechselt ständig zwischen Sonnenschein und Bewölkung.
Schließlich biegen wir von der Hauptstraße ab, in der Hoffnung, den Weg zu dem abgelegenen Hethiter-Heiligtum zu finden. Weisse Schlafmohnfelder, die so genannten Haşhaş, welche zu medizinischen Zwecken angebaut werden, finden sich überall am Wegesrand. Auf einer Anhöhe vor dem Dorf Sadıkhacı sticht der knallrote Klatschmohn aus dem saftigen Grün der Wiesen und Felder hervor. Ein alter Mann treibt gerade eine kleine Schafherde zum Dorfeingang, der Ort mit vielen Steinhäusern liegt in einer Senke, dann führt die staubige Straße wieder bergauf, so dass wir bald die nächste Hochebene erreichen und wieder über das weite Land schauen können. Schließlich stehen wir vor der Quelle mit dem beeindruckenden Eflatunpınar-Monument aus der späten Bronzezeit.
Um 1400 v.Chr. waren die Hethiter neben Ägypten und Babylon eine der Supermächte ihres Zeitalters. In der Bronzezeit war zunächst das Volk der Hatti zwischen den Jahren 3200 und 2000 v.Chr. in Anatolien ansässig, es folgte eine Zeit als assyrische Handelskolonie von 1950 bis 1750. Ab 1800 v.Chr. kamen die Hethiter aus dem Kaukasus in die Region und erlangten ab 1650 v.Chr. die Kontrolle über Anatolien. Im ausgehenden Bronzezeitalter ab 1500 v.Chr. waren sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht, ihre Herrscher residierten in Hattuşa, dem heutigen Boğazkale nordöstlich von Ankara bis zum Untergang des Reiches im 13. Jahrhundert v.Chr. Vieles an der Kultur der Hethiter bleibt bis heute rätselhaft.
Eflatunpınar (heutiger Name, bedeutet: Quelle des Platon) ist eines der bedeutensten, erhaltenen Kultstätten aus der Hethiterzeit und fällt durch seine besondere Steintechnik auf. Das Monument liegt zusammen mit dem Kultbecken unmittelbar über einer Quelle. Nach Grabungen im Jahr 1837 n.Chr. kannte man nur den etwa 3,50 Meter über der Erde liegenden Teil.
Nach jüngeren Ausgrabungen durch Archäologen des Museums von Konya 1998 konnten jedoch weitere Teile bis zu einer Höhe von 7 Metern freigelegt werden. Das große, etwa 30 x 35 Meter große Becken gab auch weitere Auskunft über die Bedeutung von Eflatunpınar als bedeutende Tempelanlage unter freiem Himmel. Durch das klare Wasser sieht man kleine Fische und zwischen dem Schilf, dort wo das Wasser abläuft, veranstalten dutzende Kröten ein Konzert mit eindringlichen Lauten. Eine Frau in Pluderhosen schleppt einen Sack über der Schulter, ihr folgt ein streunender Hund auf dem schmalen trockenen Pfad zwischen drei in Stein gehauenen Stierköpfen, die vermutlich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz stehen, da nach dem Ende des Hethiterreiches das Areal von dem Römern als Staubecken verwendet wurde.
Das riesige Monument hinter dem Becken wirkt beeindruckend, vor allem als plötzlich die Sonne aus dem bedeckten Himmel herausbricht und wie ein Scheinwerfer auf das hethitische Heiligtum leuchtet. Wie muß es bei den Kultfeiern zugegangen sein, wenn die Hethiter ihre Religion der “1000-Götter-Welt” an diesem Ort feierlich zelebrierten ? Auf der Vorderseite des Eflatunpınar-Monuments zeigen insgesamt 19 aufeinander gelegte Steinblöcke verschiedene Figuren aus der hethitischen Glaubenswelt.
Oben ist eine Sonnenscheibe mit Flügeln zu sehen, in der Mitte darunter befinden sich zwei weitere, miteinander verbundenen Sonnenscheiben. Darunter sind die Sonnengöttin und der Wettergott auf einem Thron dargestellt. Um diese herum zeigt das Monument verschiedene Stiermenschen und andere Mischwesen. In der unteren Reihe direkt über der Wasseroberfläche sieht man jeweils an den Aussenseiten eine Berggottheit sowie in der Mitte drei unterirdische Quellgötter. Zwei weitere befinden sich an der Nordmauer des Beckens. Während der religiösen Kultzeremonien soll Wasser hinter dem Monument gesammelt worden sein, das man durch Löcher in den Röcken der drei mittleren Quellgötter herauszuspritzen ließ.
Gegenüber dem Monument befindet sich eine kleine Terrasse mit Darstellungen eines thronenden Götterpaares, von der jedoch der obere Teil nicht erhalten ist. Es wird vermutet, dass es sich hierbei auch um Darstellungen des Wettergottes und der Sonnengöttin handelt, welche religiöse Verbindungen zwischen den hethitischen und hurritischen Glaubensvorstellungen symbolisiert haben könnten.
Die Hurriter, deren Heimat das nördliche Mesopotamien war, sollen großen Einfluss auf die religiösen Vorstellungen der Hethiter gehabt haben. Die Region um Eflatunpınar war ohne Zweifel im Hethiterreich bedeutungsvoll und das Stammgebiet der Luwier. Die Luwier waren eines der indoeuropäischen Völker, die bereits vor dem Jahre 2000 v.Chr. nach Anatolien kamen und unter anderem an der Südküste Kleinasiens siedelten.
Zum Ende des 13. Jahrhunderts v.Chr., als der hethitische Großkönig Tuthaliya IV. in der Hauptstadt Hattuşa auf dem Thron saß, regierte dessen Cousin Kurunta in diesem Teil Anatoliens. Man geht davon aus, das das Heiligtum von Eflatunpınar zwar lange als Tempelanlage bzw. Kultstätte verwendet wurde, jedoch beim Zusammenbruch des Hethiterreiches noch nicht ganz fertiggestellt war.
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